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G E S C H I C H T E N und L E G E N D E N

 

Johann Tetzel in Jüterbog

Johann Tetzel wurde um 1465 in Pirna geboren. Nach dem Theologiestudium an der Universität Leipzig (1482-1487) trat er 1489 dem Leipziger Dominikanerkonvent bei. Bekannt wurde er vor allem als Ablassprediger. In dieser Funktion wirkte er ab 1504, zunächst für den Deutschen Orden, danach u. a. für den Bischof von Meißen und schließlich für den Erzbischof Albrecht von Magdeburg. In dessen Auftrag predigte Tetzel 1517 im Bistum Halberstadt und im Erzbistum Magdeburg, um die Gläubigen zum Kauf von Ablässen zu bewegen. Mit den dabei erzielten Einnahmen sollte zur einen Hälfte der Bau des Petersdomes in Rom unterstützt werden. Die andere Hälfte wollte der Erzbischof zur Abzahlung seiner Schulden bei den Fuggern nutzen, die ihm 1514 die Wahl zum Erzbischof von Mainz finanziert hatten.

 

Tetzel muss ein begnadeter Redner gewesen sein. Seine mitreißenden Predigten waren aufsehenerregende Ereignisse, die immer wieder große Mengen von Gläubigen anlockten. So auch in Jüterbog, wo er sich entweder

um Ostern oder im Herbst 1517 aufhielt. Obwohl die Ablasspraxis der Kirche bereits in der Kritik stand und vielerorts auf Vorbehalte stieß, wirkte Tetzel hier offenbar noch recht erfolgreich. Selbst aus Kursachsen zogen seine Predigten ein interessiertes Publikum an. Diese Bewegung registrierte man auch in Wittenberg: Martin Luther, der am manipulativen Auftreten des Ablassprediger Anstoß nahm – grundsätzlich aber noch nicht am Ablass selbst - , wurde nach eigenem Bekunden durch diese Erfolge Tetzels zum Eingreifen provoziert. 1541 schrieb er im Rückblick auf die damaligen Ereignisse: „Als nu viel Volcks von Wittenberglieff dem Ablas gen Juetterbock und Zerbest Und ich (so war mich mein HERR Christus erlöst hat) nicht wuste, was das Ablas were … fieng ich seuberlich an zu predigen.“  Das Ergebnis seiner Empörung war ein Beschwerdebrief an den für Jüterbog und die dortigen Ablasspredigten Tetzels verantwortlichen Landesherren, Erzbischof Albrecht von Magdeburg und Mainz am 31. Oktober 1517. Diesem fügte Luther seine berühmten 95 Thesen bei, mit denen er eine Disputation über den Zustand der Kirche anregen wollte.

 

In der protestantischen Tradition gelten diese Thesen als Auslöser der Reformation. Damit aber wurde zugleich auch das Wirken Tetzels in Jüterbog, das anscheinend den unmittelbaren Anlass für die Proteste Luthers bot, historisch überhöht. Es war nur der Anstoß für den darauf folgenden religiösen gesellschaftlichen Wandlungsprozess und wurde, um die Ereignisse mit entsprechender Bedeutung aufzuladen, mit populären Legenden ausgeschmückt.

 

Tatsächlich weiß man jedoch kaum etwas über das Auftreten Johann Tetzels in Jüterbog 1517. Sicher ist nur, dass er in der Nikolaikirche predigte und dazu für eine Weile in der Stadt Quartier nahm. Der Überlieferung nach wohnte er unweit der Kirche, im Haus des Gerichtsschöppen Benedikt Teupitz und seines Schwiegervaters Hans Geserick. Das vor dem Stadtbrand errichtete Gebäude hat sich bis heute erhalten und ist als sogenannte „Tetzelkapelle“ Bestandteil der 1893 geweihten katholischen St. Hedwigskirche hinter dem haus Große Straße 86.

 

 

Thomas Schneidewein und die Flucht der Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg

 

Ein Skandal im Hause Brandenburg

Wie sehr die von Luther ausgehende religiöse Bewegung die Menschen in ihrer Zeit bewegte, zeigt sich daran, dass der Streit um die neue Lehre ganze Familien zerriss. Dies betraf auch mächtige Fürstenhäuser wie die Kurfürsten und Markgrafen von Brandenburg. Während Kurfürst Joachim I. (1484-1535) die Reformation ablehnte, war seine Gemahlin eine überzeugte Anhängerin Martin Luthers. Kürfürstin Elisabeth (1485-1555), eine Tochter des Königs Johann I. von Dänemark, Norwegen und Schweden (1455-1513) sowie Nichte der sächsischen Kurfürsten Friedrich III. (1463-1525 und Johann (1468-1532), war 1527 demonstrativ zum neuen Glauben übergetreten und provozierte damit einen Konflikt mit ihrem Gatten. Um einer drohenden Haft zu entgehen, floh die Kurfürstin am 24. März 1528 aus Berlin nach Torgau an den kursächsischen Hof.

 

Über den tatsächlichen Fluchtweg Elisabeths ist wenig bekannt. Er dürfte sie aber auch über Jüterbog geführt haben, wo sie möglicherweise kurzzeitig Aufnahme, geistlichen Beistand und Hilfe zur Weiterreise fand. Die älteren Jüterboger Chroniken verbanden diesen Aufenthalt mit einem Überfall brandenburgischer Reiter auf den Prediger Thomas Schneidewein und deuteten diesen als Racheakt des Kurfürsten an einen der Fluchthelfer seiner Frau.

 

Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg blieb noch lange im sächsischen Exil, wo sie von ihren wettinischen Verwandten Schloss Lichtenburg (Prettin) als Wohnsitz zugewiesen bekam. Zeitweilig trat sie hier auch in intensiven Kontakt zu Martin Luther. Erste zehn Jahre nach dem Tod ihres Gatten kehrte sie 1545 in das – inzwischen protestantische – Kurfürstentum Brandenburg zurück.

 

Thomas Schneidewein: Prediger oder Fluchthelfer?

Thomas Schneidewein dürfte der unsicheren Überlieferung nach einer der ersten Prediger gewesen sein, die die neue Lehre in Jüterbog vertraten. Über seine Herkunft ist nichts bekannt. Dass Martin Luther ihn als Bruder des Schössers (Verwalters) von Eisenberg bezeichnete, könnte darauf hindeuten, dass er aus Thüringen stammte. Schneidewein war vermutlich 1526 auf Veranlassung des lutherisch gesinnten Stadtrates und mit Erlaubnis des Landesherren nach Jüterbog geholt worden, wo man ihm die Kapellen des Heiliggeistspitals (innerhalb der Stadtmauer am Dammtor) und des Gertraudenspitals (nördlich der Stadt vor dem Zinnaer Tor) als Predigtorte zuwies.

 

In den älteren Jüterboger Chroniken wird Thomas Schneidewein unmittelbar mit der Flucht der Kurfürstin von Brandenburg im März 1528 in Zusammenhang gebracht. Demnach soll der Prediger die anonym reisende Kurfürstin kurzzeitig aufgenommen und ihr zur Weiterreise nach Sachsen verholfen haben. Damit hätte er die Rache des brandenburgischen Kurfürsten Joachim I. auf sich gezogen. Ein Jahr nach der Flucht schlugen die Brandenburger zu: Am frühen Morgen eines Sonntages im März 1529 sollen Schneidewein und seine Helfer von 40 Reitern vor der Gertraudenkapelle überfallen, entführt und nach Berlin verschleppt worden sein. Das anschließende Nacheilen der aufgebrachten Jüterboger Bürger brachte ebenso wenig Erfolg wie die dringenden Nachfragen der Stadt am brandenburgischen Hof. Thomas Schneidewein und seine Gesellen blieben für immer verschwunden.